In der Not braucht jeder einen guten Freund

Heute war ein ganz besonderer Tag. Zwar ließ das Wetter zu wünschen übrig, dunkle Wolken zogen auf, aber dann zeigte sich doch noch die Sonne. Gegen Mittag rafften wir uns endlich auf, Angie sprang freudig aus dem Auto und lief direkt zu ihrem Teich, in Gedanken versunken folgte ich ihr. Einige Minuten schaute ich auf den Teich, ohne es richtig wahrzunehmen. Mein Blick wendete sich wie automatisch zu dem Baumstamm, auf dem sich meine Schildkröten immer sonnten, heute saßen sie nicht da. Wie auch, dachte ich mir, keine Sonne, also auch keine Schildkröten. Nur das Blesshuhnpärchen schwamm eilig in die Mitte des Teiches. Sonst gab es nichts Besonderes, kein Fotomotiv, das mein Interesse hätte wecken können. Ich schlenderte weiter, ohne auf Angie zu achten. Ich kenne ihr Verhalten und weiß, dass sie mir folgt, denn wir vertrauen uns blind. Was mir ganz besonders auffiel, war das laute Vogelgezwitscher, ich konnte aber keinen entdecken, auch wenn ich mich noch so anstrengte, sah ich keinen Piepmatz. Plötzlich war Angie wieder neben mir aufgetaucht und sah mich zugleich fragend und lachend an. Im ersten Augenblick konnte ich es nicht fassen, was ich zu sehen bekam, aber auf den zweiten Blick entdeckte ich eine kleine Blaumeise auf Angies Rücken. Ich hatte zwar aus den Augenwinkeln gesehen, dass sie etwas intensiver am Ufer gesucht hatte, nur konnte ich nichts erkennen. Jetzt war mir klar, was sie dort entdeckt hatte, denn der kleine Kerl war völlig durchnässt und jetzt sah auch ich die anderen Geschwister auf dem Baum sitzen, der direkt am Ufer stand. Der Kleine zwitscherte so vergnügt, dass es meiner Angie schon zu viel wurde und sie etwas brummig antwortete: „Ist ja gut, dafür sind Freunde doch da.“

Eine Weile schaute ich den beiden zu, Angie legte sich ganz vorsichtig hin und der Kleine lief immer noch laut zwitschernd auf ihrem Rücken bis zu den Ohren.

Ihr Blick, ihre Gedanken: „Kannst du ihn mir nicht vom Rücken nehmen, so langsam nervt er mich.“

„Ja, ich weiß, er ist dir zu laut. Warte, ich muss ein Stöckchen holen, ich darf ihn ja nicht anfassen.“

„Mach das, und dann setz ihn auf den Baum, aber auf den anderen, damit er nicht wieder vor Übermut runterfällt wie vorhin.“

„Das hast du wohl beobachtet?“

„Klar, sonst wäre er glatt ertrunken.“

Dann gingen wir weiter, ich bekam noch ein Highlight vor die Linse, einen Bläuling-Schmetterling, dem ich im vergangenen Jahr hinterhergelaufen war und nur zwei Fotos so halbwegs gelungen waren. Heute hatte er anscheinend alle Zeit der Welt.

Für Angie und mich war es dann doch noch ein zufriedener und glücklicher Tag.

In der Not braucht jeder einen guten Freund